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In der Unternehmenssparte Energy ergänzt Fliegl darüber hinaus die Prozessketten zur Einsparung und Rückgewinnung wertvoller Energie. So verdampft die stationäre Gülle- und Gärrest-Aufbereitungsanlage RondoDry bis zu 70 Prozent des Ammoniumstickstoffs aus der Gülle und senkt dadurch den Gesamtstickstoffgehalt der anfallenden Stoffe. Die Anbauflächen werden durch die Trocknung um bis zu 4.000 Tonnen jährlich entlastet, gleichzeitig werden Transport- bzw. Ausbringkosten deutlich reduziert. Ein praktisches Beispiel: Ein Hähnchenzuchtbetrieb aus Niederbayern trennt seine anfallende Gülle mit Hilfe des RondoDry in feste und gasförmige Bestandteile. Daraus produziert er neben den Lebensmitteln zusätzlich eigenen Dünger, Wärme sowie Biogas. Diese Nebenprodukte reichern die Felder des Betriebs an, beheizen Stallungen sowie Wohnhaus und erzeugen im eigenem Kraftwerk bis zu 0,5MW Peak-Strom für das öffentliche Netz.
Seit der Markteinführung im Jahr 2011 erfolgt die Steuerung des RondoDry mit CODESYS-basierten Systemen. Dabei setzen Michael Vilsmeier und Franz Höpfinger, die Verantwortlichen für die Steuerungstechnik bei Fliegl, auf SoftSPS-Systeme aus dem CODESYS Store. Installiert auf geeigneten Linuxgeräten wie dem emPC-A/iMX6 von Janz Tec, werden daraus hochperformante Steuerungen – per SoftSPS nutzen sie auch die Mehrkernfähigkeiten der integrierten CPUs. Über ihre Schnittstellen kommuniziert die Steuerung mit den zahlreichen Peripheriegeräten des Trockners: Ob per Modbus mit den Wägezellen, per Ethercat oder CANopen mit Druck- oder Durchfluss-Sensoren oder per RS232/RS485 mit Anzeigemodulen – sämtliche Daten werden in der SPS-Applikation verarbeitet und sorgen für einen effizienten Betrieb der Trocknersysteme. Darüber hinaus parametrieren und bedienen Inbetriebnehmer und Betreiber die Anlage per Webpanel mit der integrierten CODESYS WebVisu.
Laufende Updates
Bei einer sechsstelligen Investitionssumme macht es Sinn, bereits ausgelieferte RondoDry-Trockner durch Applikationsupdates zu pflegen. Schließlich optimiert Franz Höpfinger die Steuerungsapplikation laufend weiter. Bisher wurden die getesteten Updates per USB-Stick in die Steuerung eingespielt. Diese Aufgabe nahmen Servicetechniker wahr, wenn sie vor Ort an der Anlage waren. Oder der Betreiber lud sich selbst Updates von einem Fliegl-Onlineportal herunter und spielte sie ein. Alles, was er dafür tun musste: Den USB-Stick mit dem Update an der Steuerung einstecken – die Firmware wurde selbständig erkannt und installiert.
Nach einem Neustart der Steuerung wurde die aktualisierte Applikation ausgeführt. Obwohl dieser Vorgang sehr einfach ist, birgt er doch gewisse Tücken: Ist ein Servicetechniker vor Ort, muss er sich erst einmal vergewissern, welche Version der Applikation überhaupt eingesetzt wird. Auch fehlt den Fliegl-Steuerungstechnikern der Überblick darüber, welche Anlagen im Feld bereits auf dem neuesten Stand sind, und welche nicht. Richtig problematisch wird es, wenn der Betreiber versehentlich eine Applikation in die Anlage installiert, die aufgrund des Typs gar nicht dafür vorgesehen war. Dadurch kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Totalausfällen der Systeme – und somit zu teuren und unnötigen Service-Einsätzen. Zwar setzen die Fliegl-Techniker auch jetzt schon eine Zusatzsoftware zur Fernwartung ein. Allerdings gestaltet sich vor allem das Zertifikatshandling zur Absicherung der Kommunikation recht mühsam – und ein separater Kommunikationskanal zu jeder einzelnen Installation muss aufgebaut und gepflegt werden.
Web-Technologien nutzen
„Wie können wir Internet-Technologien nutzen, um Updates schneller auszurollen und weiteren Mehrwert zu generieren?“ Die Antwort auf diese Frage fand Fliegl im CODESYS Automation Server. Während der ersten Gehversuche legte Franz Höpfinger zunächst ein Konto im Automation Server an und fügte Anlagensteuerungen von noch nicht ausgelieferten Systemen ein. Für die Kommunikation zwischen Steuerung und Automation Server nutzt er das Edge Gateway, eine Software-Zwischenschicht, die direkt auf der Steuerung als Zusatzkomponente installiert ist. Um die verschlüsselte Kommunikation zwischen Gateway und Server muss sich Höpfinger nicht mehr selbst kümmern – der CODESYS Automation Server verwaltet automatisch die erforderlichen Zertifikate und vereinfacht so die Absicherung des Systems.
Per Web-Oberfläche kann er in seinem Konto jetzt nach verfügbaren Steuerungen unterhalb des registrierten Edge Gateways suchen und diese als digitalen Zwilling in seinem Konto anzeigen lassen. So sieht er sofort, welche Versionen von Firmware und Applikation auf den Steuerungen installiert sind. Bringt das einen Mehrwert für die Updates? Nachdem Höpfinger auf diese Art mehrere Steuerungen eingebunden hatte, wollte er es wissen: Zunächst hinterlegte er den Quell- und Binärcode seiner Applikation bzw. nachträglich erstellter Updates im Automation Server. Um das gewünschte Update auf alle geeigneten Steuerungen auszurollen, wählte er in der Web-Oberfläche die gewünschte Version der Applikation aus, ließ sich alle dafür geeigneten Steuerungen anzeigen und wählte diejenigen aus, die das Update erhalten sollten. Mit einem einzigen Klick auf den Button ‚Änderungen anwenden‘ wurde das Update auf alle ausgewählten Geräte übertragen und sofort gestartet. Höpfinger war begeistert: „In weniger als 4 Minuten habe ich Updates von mehreren Steuerungen gemacht.“
Vollständiger Überblick
Überzeugt von den neuen Möglichkeiten speichern die Fliegl-Automatisierer jetzt alle Applikationen im CODESYS Automation Server und sparen sich so eine lokale Projektablage. Mit ihren personalisierten Zugängen können Höpfinger und Vilsmeier von überall in der Welt auf den Quellcode zugreifen oder diesen per Mausklick in der lokalen Instanz des CODESYS Development Systems öffnen und bearbeiten. Dass der CODESYS Automation Server demnächst eine integrierte Git-Versionsverwaltung bietet, ist eine willkommene Erweiterung. Mittlerweile bindet Fliegl sukzessive bereits ausgelieferte RondoDry-Systeme in den CODESYS Automation Server ein.
Wichtig ist hier natürlich eine Internet-Anbindung der Steuerungen vor Ort. „Bei größeren Gewerken, in denen der RondoDry eingesetzt wird, steht oft eine komplette IT-Infrastruktur zur Verfügung – da ist die Anbindung recht einfach“, weiß Vilsmeier. Aber auch bei kleineren landwirtschaftlichen Betrieben sieht Vilsmeier kein Problem, denn sie verfügen in der Regel über ein lokales Netzwerk. Weil die sichere Datenkommunikation des CODESYS Automation Servers zertifiziert wurde, können solche Anlagen bedenkenlos angebunden werden. „So haben wir jederzeit einen Überblick über die Steuerungen, deren Status und Applikationsversionen“, meint Vilsmeier zufrieden. Darüber hinaus können sämtliche Anlagen in der Topologie-Ansicht der Serverplattform grafisch zusammengestellt und erfasst werden. Möglich ist das durch die Kennzeichnung und Filterung der dargestellten Anlagen anhand von Tags.
Weiterer Nutzen
Derzeit macht sich das Fliegl-Team mit den Möglichkeiten des neu integrierten Data Analyzers vertraut. „Wenn wir in einer Oberfläche wichtige Anlagendaten von unterschiedlichen Betreibern vergleichen, sehen wir sofort, wo es Servicebedarf gibt“, führt Vilsmeier weiter aus. „Dann können wir proaktiv auf Kunden zugehen und ihnen Service-Dienstleistungen anbieten, noch bevor es zu Störungen oder Ausfällen kommt.“ So entsteht eine Win-Win-Situation für Anlagenhersteller und -betreiber. Für die Zukunft wünscht sich die Fliegl-Gruppe, zusätzliche Hilfsmittel zur Fernwartung komplett überflüssig zu machen und nur noch mit der Serverplattform zu arbeiten.
Dieser Artikel erschien im Oktober 2020 auf www.der-maschinenbau.de.